Zum dritten Mal haben Auszubildende der Münchner Wohnen Schicksale ehemaliger Mieter*innen recherchiert, die Opfer der Nationalsozialisten wurden. Im Rahmen einer bewegenden Gedenkveranstaltung wurden an den jeweiligen Wohnhäusern Erinnerungszeichen angebracht.
An vier ehemalige Mieter*innen, die in Wohnungen der Vorgängergesellschaft der Münchner Wohnen rund um den Sendlinger Herzog-Ernst-Platz lebten, haben die Azubis der Münchner Wohnen zusammen mit Dr. h.c. mult. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und ebenfalls eingeladenen heutigen Bewohner*innen der Sendlinger Wohnanlagen gedacht. Bei einem Rundgang zu den jeweiligen Häusern in der Maronen-, Kraeler- und Pfeuferstraße wurde jeweils ein Erinnerungszeichen angebracht, die Azubis haben zu den recherchierten Lebenswegen der vier Mieter*innen berichtet.
Die ehemaligen Bewohner*innen wurden vom NS-Regime ermordet: Die Jüdin Betty Landauer, während der Weimarer Republik in der USPD aktiv, wurde nach Litauen deportiert und dort umgebracht; Auch Lisette Lilie war Jüdin und wurde mit 73 Jahren in der Gaskammer in Treblinka getötet; Dr. Julian Marcuse war angesehener Arzt und in der SPD aktiv, er setzte sich für Sexualaufklärung, Geburtenkontrolle und Mutterschutz ein, auch um die soziale Not in der Arbeiterklasse zu lindern. Er wurde ins Ghetto Theresienstadt deportiert und starb dort 80-jährig wohl an den katastrophalen Lebensbedingungen; Der junge Karl Simon litt an Epilepsie, seine Schullaufbahn war geprägt von gesundheitlichen Einschränkungen. Er wurde 1942 in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar verlegt, damals ein Zentrum der systematischen Krankenmorde im Rahmen des nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programms. Dort starb er nach wenigen Wochen – warum genau, ist unbekannt. Karl Simon wurde 16 Jahre alt.
„Für Wertschätzung und einen würdevollen Umgang“
„Dieses Projekt hat uns alle sehr geprägt“, sagte Leon Fuhrmann, Auszubildender bei der Münchner Wohnen, während der Veranstaltung. „Das Schicksal der Menschen, die zu Unrecht und so unmenschlich behandelt wurden, wird uns weiter begleiten. Wir Azubis sind dankbar für diese Erfahrung und das uns entgegengebrachte Vertrauen.“
„Die Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus hat sich zu einem wichtigen Teil der Ausbildung unserer Nachwuchskräfte entwickelt“, sagt Münchner Wohnen-Geschäftsführer Christian Müller. „Unsere Azubis sehen: Hinter jedem Namen, hinter jeder Wohnungsnummer steckt ein Mensch mit eigenem Lebensweg und Schicksal. Vor 80 Jahren konnte und wollte unser Unternehmen unseren Mieterinnen und Mietern nicht helfen – eine Schuld, der wir uns stellen und die wir nie vergessen werden.“
„Die Unternehmenskultur der Münchner Wohnen ist geprägt von Vielfalt und Offenheit, sagt Christian Müller. „Unser Azubi-Projekt zeigt auf eindrückliche Weise, wie wichtig es ist, dass wir uns alle für eine Gemeinschaft ohne Rassismus und Ausgrenzung, für Wertschätzung und einen würdevollen Umgang engagieren. Deshalb freue ich mich, dass die Auszubildenden der Münchner Wohnen sich so engagiert diesem Projekt widmen.“
Das Projekt
In Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München sowie der Historikerin Dr. Christiane Fritsche recherchierten die elf Azubis in den vergangenen Monaten die Lebensläufe der vier Mieter*innen. Teil des Projekts sind auch ein Besuch des Stadtarchivs, eine Schreibwerkstatt sowie eine Führung durch das NS-Dokumentationszentrum. Seit 2023 wurden im Rahmen des Projekts bereits elf Erinnerungszeichen an Wohngebäuden der Münchner Wohnen in Neuhausen sowie in Giesing und Harlaching angebracht.